Buchtipps

Martin Mosebach , Krass

Rowohlt Verlag 2021
Fester Einband
528 Seiten

Von den Gegenständen, mit denen der offensichtlich überaus erfolgreiche Geschäftsmann Krass seine Handelstätigkeit betreibt, erfährt der Leser nur am Rande. Die Gewinnspannen müssen enorm sein, dies ermöglicht Krass, die Menschen die er um sich schart, während einer gemein-samen Reise in den Golf von Neapel aufs feinste  zu verwöhnen. Geld spielt keine Rolle, es wird in einem Spezialkoffer von seinem Sekretär in bar mitgeführt. Krass benötigt auch keine Rechnungen, er weiß  was alles kostet. Das Geld fasst er persönlich niemals an, dass muss für ihn der mehr-sprachige Dr.Jüngel erledigen. Ein dienst-barer, unterwürfiger Sekretär und Organisator der Reise. Und da ist da auch noch Lidewine eine schöne und lebenslustige Belgierin, die zunächst als Assistentin eines Zauberers  auftritt, dessen Vorstellung von der illustren Reisegesellschaft besucht wird. Krass, von der Ausstrahlung dieser jungen Frau fasziniert ,  beauftragt Dr. Jüngel sie unter Vertrag zu nehmen , mit genauen Vorgaben , um ihm Gesellschaft zu leisten.  Nicht an einem sexuellen Verhältnis ist er interessiert, sondern allein mit  ihrer jugend-lichen Schönheit und ihrem selbstbewussten Auftreten möchte er sich umgeben. Lidewine wird aus dem Geldkoffer großzügig bis zur exquisiten Perlenkette ausgestattet.  Ein amouröses Abenteuer der jungen Frau führt zum Vertragsbruch, Krass entlässt sie sofort aus seinen Diensten.  Die Gesellschaft zerfällt daraufhin und somit gibt es auch für Jüngel nichts mehr zu tun. Bezahlt wurde Jüngel für seine organisatorischen Diensten eigentlich nicht, was ihm erst im Nachhinein bewusst wird , so steht er wie andere Personen im Banne dieses Machtmenschen.  Beim Trennungs-gespräch gibt Krass noch Jüngel den Rat „Versuchen Sie allein durchzu-kommen, ohne Kredit, ohne Partner, vertrauen Sie nur auf sich selbst.“ Jüngel  fällt buchstäblich ins Leere , neben der Geldnot  ist noch das Scheitern seiner Ehe hinzugekommen. Er zieht sich in ein Landhaus von Freunden im französischen Zentralmassiv zurück.  Die Schilderung dieses Jahres  der Selbstfindung Jüngels bildet den 2.Teil des Buches.
Im 3.Teil , 20 Jahre später , hat es  Dr. Jüngel , inzwischen Professor für Urbanistik , beruflich nach Kairo verschlagen . Der Zenit von Krass ist lange überschritten , geschäftliche Pleiten haben ihn einsam werden lassen.

Bücher dieses mit dem Büchnerpreis ausgezeichneten Sprachkünstlers sind spannend und sachkundig, immer wieder ein Lesegenuss.

 

Gerhard Schweizer, Mit offenem Blick

Klett-Cotta Verlag
Fester Einband
319 Seiten

Das neue Buch von Gerhard Schweizer beginnt wie ein Reisebericht seiner ersten großen Reise 1964, vom Ruhrgebiet bis zunächst Istanbul mit dem „Gastarbeiterzug“. Als Schweizer zusteigt ist das Zugabteil bereits mit 5 heimkehrenden Türken besetzt. Seinen reservierten Platz muss er sich erkämpfen. Zunächst herrscht grimmige Stimmung, die sich bereits einige Stunden später beim gemeinsamen Essen des Proviants der Türken aufgelöst hat. Die geführten Gespräche drehen sich über das Reisen aus unterschiedlichen Gründen. Nur Reisen von und zur Arbeit oder zur Familie oder Verwandten finden Anerkennung, Reisen zur Bildung oder gar zum Vergnügen sind für die heimkehrenden Gastarbeiter undenkbar.
Das spannend und äußerst anregend geschriebene Buch umfasst etliche Reiseberichte über einen Zeitraum von fast Jahren über die Türkei, Syrien  und Persien, Afghanistan, Pakistan  und Indien.  Auch Fernost, Thailand, Kambodscha bis China bereist Gerhard Schweizer mehrmals  während  dieses langen Zeitraums  und unter veränderten politischen Bedingungen. Besonders interessant sind die immer wieder auftauchenden  Reflektionen  mit der eigenen heimatlichen Kultur und Sichtweise, dabei werden auch unangenehme Wahr-heiten angesprochen.
Schweizer beschreibt wie es zunehmend  schwieriger wird authentische Eindrücke zu finden, in dieser sich ähnelnden Welt.  Schweizer bekennt, dass er ein Teil des globalisierten Reisens ist.
Auch die Aspekte der Migrationsbewegung werden sehr ausgewogen von allen Seiten beleuchtet. Das Buch ist ein wichtiger Beitrag zu unseren derzeitigen Problemen , auch in Bezug auf Pandemien.

 

Jochen Schimmang , Mein Ostende

Mare Verlag
Fester Einband
144 Seiten

Es war Liebe auf den zweiten Blick und sie begann für Jochen Schimmang an einem grauen Novemberabend Anfang der achtziger Jahre,  als er mit der Fähre zu spät angekommen war, und die Zugverbindung nach Köln verpasste.  Sein unfreiwilliger Aufenthalt gestaltete sich so überraschend , dass er schon auf der Rückreise beschloss diesen Ort bei nächster Gelegenheit näher ergründen zu wollen.
Auf den Spuren der Geschichte wandelnd,  weiß der Autor viel Interessantes zu erzählen : So zum Beispiel, dass Ostende eine Insel war , die unmittelbar vor dem damaligen Küstenstreifen lag und nur durch einen natürlichen Kanal vom Festland getrennt war. Bald nach der Eindeichung und Entwässerung entstanden die Orte auf der Insel, von denen Ostende der größte war. Von den einst prachtvollen Villen der ‚Königin der Seebäder“ ,wie Ostende in den Prospekten der Kaiserzeit gepriesen wurde, denn nicht nur Brüssel, sondern vor allem  Ostende profitierte von den Investitionen Leopold II, in Prunkbauten wie Kursaal oder Sommerresidenz , ist heute fast nichts mehr zu sehen.
Nicht nur Ostende auch alle anderen Küstenorte Belgiens haben sich dafür entschieden, mit dem „Blick aufs Meer für alle“ Kapital zu schlagen. Die heutigen Urlauber und Kurzbesucher der Stadt genießen das demokra-tische Angebot aller Qualitäts- und Preisklassen an Unterkünften und Restaurants .
Das interessant und flüssig geschriebene Buch macht Lust auf eigene Entdeckungen auf den Spuren großer Autoren  wie Stefan Zweig und seine Kreise. Oder Simenon, von dem Kriminalromane auch in Ostende spielen. Den Malern von Ensor bis Spillaert, oder dem Filmemacher Henri Stock. Die Musiker alle aufzuzählen ,die hier aufgetreten oder teilweise gelebt haben, würde den Rahmen sprengen.  Exemplarisch für empfehlenswerte Cafés sei nur das „Leesehuis“ und das „Botteltje“ genannt. Unbedingt empfiehlt der Autor einen Besuch  im  MuZee“.  

 

Markus Kaiser , Bahnwanderland Belgien

Markus Kaiser
Taschenbuch
107 Seiten

Der gerade erschienene Führer von Markus Kaiser deckt eine Marktlücke. Mit dem Zug erreicht man in kurzer Zeit die ausgewählten Ausgangspunkte in Belgien. Schon bei der Anreise kann man entspannt die Landschaft genießen und muss sich nicht auf den Straßenverkehr konzentrieren. Der gut geschriebene und einladend bunt bebilderte Führer bietet 11 Touren in der Wallonie, oft Ardennen, und 5 Wanderungen in Flandern. Geboten wird ein guter Mix unterschiedlicher Landschaften mit einigen kulturellen Highlights. Zwischen 6 und 17,5 km lang sind die vorgeschlagenen Wanderungen, mal sind es Rundwanderwege, mal sind es Wandertouren von Ort zu Ort , bei denen auch die Einkehrmöglichkeiten , soweit vorhanden , ausgewiesen werden. Am Ende jeder Wanderung ist dann auch der Bahnhof für die Rückreise erreicht. Außerdem werden weitere 10 Ausflugsziele vorgeschlagen, die man zusätzlich erkunden kann.

 

Christoph Nonn: 12 Tage und ein halbes Jahrhundert: Eine Geschichte des deutschen Kaiserreichs 1871-1918

C.H. Beck Verlag
Fester Einband
678 Seiten

Der Historiker für neuere Geschichte Christoph Nonn nennt die Einleitung seines Buches „Gebrauchsanweisung “ und das zu Recht. Er hat sich für die Schilderung von 12 Geschichtsabschnitten aus unterschiedlichen Themenbereichen entschieden , was das Buch lebendig und gut  lesen gestaltet:  Entwicklung der Sozialgesetzgebung , Industriealisierung und strukturelle Modernisierung , Kulturkampf , Aussenpolitik Kolonialpolitik, Verhältnisse und Entwicklung der Parteien im Parlament, Regierung innerhalb der Staaten der Monarchie.

Die Geschichte des Staatsgebildes, das vor 150 Jahren im Spiegellsaal von Versailles durch die Ausrufung des preußischen Königs Wilhelm zum deutschen Kaiser  entstand und seine vielschichtige Entwicklung wird erfreulich angenehm und differenziert dargestellt .

Durch die eindeutigen Vorteile der Einigung  in  dieser äußerst dynamischen Zeit verwandelt sich Deutschland  vom rückständigen Agrarland zu einer der führendsten Industrienationen. Auch die deutsche Hochschulpolitik  trug Früchte, abzulesen an den Nobelpreisen. Vor dem 1. Weltkrieg ging jeder 3.Nobelpreis an deutsche Forscher. Überall ging es vorwärts , auch im kulturellen Bereich , Bildungsmöglichkeiten Bibliotheken, Museen .

Wer das Kaiserreich nur auf Pickelhaube und Marschmusik reduziert, liegt falsch und lese das ausgewogen dargestellte Buch über diese Periode.

Erschienen im C.H.Beck Verlag 2020  und bei uns erhältlich.

 

Thomas Steinfeld, Italien . Porträt eines fremden Landes

Das Buch ist das Ergebnis ausgedehnter Reisen, sehr guter Recherche sowie übergreifenden Darstellungen. Früher nannten wir das Landeskunde. Brauchen wir heute noch ein so vielseitiges Italien Porträt? Ja, weil das Buch von Thomas Steinfeld eine kluge, brillant geschriebene und im Detail überzeugende Perspektive einnimmt. Italiensehnsucht nennt man das Gefühl, das vor allem, aber nicht nur von Deutschen gehegt wird. Erwartungen dieser Art setzen, sollte man meinen, ein hohes Maß an Vertrautheit mit Italien voraus, und die wird überzeugend geboten. Über den Brenner durch Südtirol und Trient wendet sich Steinfeld nach Westen , dem Piemont, hinunter zum Tyrrhenisches Meer über Ligurien geht es die Westküste stiefelabwärts durch die Toskana , das Latium mit Rom in das alte Königreich Neapel bis Sizilien. Wieder auf das Festland Apulien, über die Abruzzen und Marken , entlang der Adria wieder hoch bis in die Poebene nach Venedig und Mailand . Vorteile bietet die Reise, weil jeweils konkrete, oft auch kleine Orte oder ehemalige Residenzstädte zum Ausgangspunkt kultur- oder zeitgeschichtlicher Betrachtungen werden. Dabei ist das Buch nicht nur eine „Grand Tour „ unserer Zeit, sondern beleuchtet auch die vielseitigen Probleme dieses doch so zerbrechlichen Gebildes Italiens.
Rowohlt Verlag
Fester Einband
448 Seiten

Das Buch ist das Ergebnis ausgedehnter Reisen, sehr guter Recherche sowie übergreifenden Darstellungen. Früher nannten wir das Landeskunde. Brauchen wir heute noch ein so vielseitiges Italien Porträt? Ja, weil das Buch von Thomas Steinfeld eine kluge, brillant geschriebene und im Detail überzeugende Perspektive einnimmt.
Italiensehnsucht nennt man das Gefühl, das vor allem, aber nicht nur von Deutschen gehegt wird. Erwartungen dieser Art setzen, sollte man meinen, ein hohes Maß an Vertrautheit mit Italien voraus, und die wird überzeugend geboten. Über den Brenner durch Südtirol und Trient wendet sich Steinfeld nach Westen , dem Piemont, hinunter zum Tyrrhenisches Meer über Ligurien geht es die Westküste stiefelabwärts durch die Toskana , das Latium mit Rom in das alte Königreich Neapel bis Sizilien. Wieder auf das Festland Apulien, über die Abruzzen und Marken , entlang der Adria wieder hoch bis in die Poebene nach Venedig und Mailand . Vorteile bietet die Reise, weil jeweils konkrete, oft auch kleine Orte oder ehemalige Residenzstädte zum Ausgangspunkt kultur- oder zeitgeschichtlicher Betrachtungen werden.
Dabei ist das Buch nicht nur eine „Grand Tour „ unserer Zeit, sondern beleuchtet auch die vielseitigen Probleme dieses doch so zerbrechlichen Gebildes Italiens.

 

Wertheimer, Jürgen : Europa – eine Geschichte seiner Kulturen.

Europa ist ein Kunstprodukt, ein Artefakt, das angemessen behandelt werden muss. In den falschen Händen kann es im wahrsten Sinn zu Bruch gehen. Und ja, Europa ist eine Mimose, ein Hybrid –im Vergleich mit anderen Gebilden, ist es viel filigraner. Das ist nicht nur eine Schwäche, sondern auch eine Stärke. Dass Wertheimer sich mit der Europäischen Kulturgeschichte auskennt, spürt der Leser von Anfang an. Von der minoischen Kultur, über die Kämpfe des Ostens gegen den Westen, entwickelt sich Europa über die Jahrhunderte der Mythen zu den Nationalstaaten, wie wir sie aus dem 19.Jahrhundert kennen. Während das römische Europa durch organisierte Macht zusammen gehalten wurde, hat sich das Europa des 20. Jahrhunderts aus den Erfahrungen und der daraus resultierenden Notwendigkeit der dramatischen Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelt. Wie der Autor überzeugend darstellt, haben sich die Bewohner Im Verlauf der 3000 Jahre währenden Geschichte dieses Kontinents kaum je als Europäer, sondern eines Volkes, einer Nation, einer religiösen Gemeinschaft zugehörig gefühlt. Neben der christlichen ist die jüdische Geschichte eine weitere Wurzel europäischer Identität. Trotz der Jahrhunderte andauernder Rivalitäten hat sich auch durch ökonomische Zwänge ein gemeinsamer Wille entwickelt der die Leitidee Europa gebildet hat. Unsere gemeinsamen Werte der Aufklärung des Humanismus der Rechtssicherheit, der Solidarität, sind die tragenden Säulen des Wohlstands auf denen die europäische Gemeinschaft aufgebaut ist. Jürgen Wertheimers Buch ist brillant geschrieben , gut illustriert , ein wahrer Lesegenuss!
Penguin Verlag
Fester Einband
576 Seiten

Europa ist ein Kunstprodukt, ein Artefakt, das angemessen behandelt werden muss. In den falschen Händen kann es im wahrsten Sinn zu Bruch gehen. Und ja, Europa ist eine Mimose, ein Hybrid –im Vergleich mit anderen Gebilden, ist es viel filigraner. Das ist nicht nur eine Schwäche, sondern auch eine Stärke. Dass Wertheimer sich mit der Europäischen Kulturgeschichte auskennt, spürt der Leser von Anfang
an. Von der minoischen Kultur, über die Kämpfe des Ostens gegen den Westen, entwickelt sich Europa über die Jahrhunderte der Mythen zu den Nationalstaaten, wie wir sie aus dem 19.Jahrhundert kennen. Während das römische Europa durch organisierte Macht zusammen gehalten wurde, hat sich das Europa des 20. Jahrhunderts aus den Erfahrungen und der daraus resultierenden Notwendigkeit der dramatischen Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelt.
Wie der Autor überzeugend darstellt, haben sich die Bewohner Im Verlauf der 3000 Jahre währenden Geschichte dieses Kontinents kaum je als Europäer, sondern eines Volkes, einer Nation, einer religiösen Gemeinschaft zugehörig gefühlt.
Neben der christlichen ist die jüdische Geschichte eine weitere Wurzel europäischer Identität. Trotz der Jahrhunderte andauernder Rivalitäten hat sich auch durch ökonomische Zwänge ein gemeinsamer Wille entwickelt der die Leitidee Europa gebildet hat.
Unsere gemeinsamen Werte der Aufklärung des Humanismus der Rechtssicherheit, der Solidarität, sind die tragenden Säulen des Wohlstands auf denen die europäische Gemeinschaft aufgebaut ist.
Jürgen Wertheimers Buch ist brillant geschrieben , gut illustriert , ein wahrer Lesegenuss!

 

Peter Schneider, Vivaldi und seine Töchter

Kiepenheuer&Witsch
Fester Einband
288 Seiten

Peter Schneider hat sich mit seiner Vivaldi Roman-Biographie von einem politischen zu einem virtuosen Autor entwickelt und ein sachkundiges, brillantes Buch geschrieben.
In seiner Jugend zum Priesteramt verpflichtet, wird Antonio Vivaldi wegen seiner Begabung zum Konzertmeister des Chors und Orchesters der „Pieta“, , dem Waisenhaus von Venedig, berufen und gründet dort das erste Mädchenorchester. Er erwirbt mit seinem Chor einen derartigen Ruf, dass der Adel Europas nach Venedig reist um diesen zu hören. Damit beginnt die unaufhaltsame Karriere des berühmtesten und produktivsten Musikers der Barockzeit. Faktenreich erzählt Peter Schneider den Verlauf des Musikerlebens Vivaldis, seinen Reisen nach Mantua, Rom , Dresden und Wien.
Dem Komponisten, der „Die vier Jahreszeiten“ und wie aus den Quellenangaben im Anhang des Buches zu entnehmen, über 800 Opern und Musikstücke schuf, schlug aber auch immer viel Neid entgegen. Intrigen führten ihn letztendlich auch zu einem immer schnelleren Absturz, so dass er 1740 Venedig auf der Flucht vor seinen Gläubigern verlassen muss. Als Vivaldi am 28.Juli 1741 in Wien stirbt, erhält er noch am selben Tag ein Armenbegräbnis.
Der an Venedig und an Musik interessierte Leser wird das kenntnisreich geschriebene Buch besonders genießen .

 

Norbert Gstrein , Als ich jung war

Hanser Verlag
Fester Einband
352 Seiten

Die Erzählfigur , ein Tiroler Hobby-Hochzeitsfotograph , verstrickt sich durch sein Verhalten in Situationen die ihn der Pädophilie und im Fall der toten Braut des Mordes verdächtig machen. Die Hintergründe des mysteriösen Todesfalles werden von verschiedenen Seiten poetisch beleuchtet. Verstärkt auftretende Gerüchte veranlassen den Erzähler nach Wyoming /USA auszuwandern und dort sein Einkommen 13 Jahre lang als Skilehrer in der Wintersaison zu suchen. Doch dann stirbt auch dort jemand: ein Freund, in dessen Leben sich ebenfalls mögliche Gewalt und mögliche Unschuld die Waage halten. Was wissen wir von den anderen? Was von uns selbst? Hungrig nach Leben und sehnsüchtig nach Glück findet sich Franz in Norbert Gstreins Roman auf Wegen, bei denen alle Gewissheiten fraglich werden.

 

Christoph Driessen, Geschichte Belgiens: Die gespaltene Nation (Kulturgeschichte) Pustet Verlag

Friedrich Pustet Verlag
Fester Einband
240 Seiten

Christoph Driessen stellt in seinem gerade erschienenen  Buch die Geschichte des belgischen Raumes  von seinen Anfängen in der Antike , über das Frühmittelater bis hin zur aktuellen Zeitgeschichte kompakt und gut strukturiert dar.  So werden die einzelnen Kapitel kurzweilig mit Personenporträts und Stichworten zur jeweiligen Zeitraum ergänzt , die es leicht ermöglichen gelesenes nochmals nachzuschlagen oder gezielt aufzusuchen.

Flandern, Brabant, Hennegau sowie das Bistum Lûttich entwickeln sich nach der Römerzeit als selbständige Herrschaftsgebiete und erlangen einen wesentlichen  wirtschaftlichen Aufschwung .

Im Brügge des 14. Jahrhunderts hatten alle bedeutenden, italienischen Bank-und Handelshäuser Ihre Niederlassungen . Brügge selbst leistete auf einem anderen ökonomischen Gebiet Pionierarbeit. Der Kaufmann van der Buerse ( ca. 1256-1320) unterhielt  in Brügge ein zentrales Gästehaus, in dem die wichtigsten Handeltreibende   Kaufleute abstiegen . Auch ähnliche Plätze in anderen Städten übernehmen die Funktion und den Namen Börse .

Das Herzogtum Burgund , 1363  vom französischen König als Lehen an seinen jüngsten Sohn Philipp gegeben, entwickelte sich durch Heirat und Erbschaft  zu einem der reichsten Staatengebilde. Durch Heirat der Erbtochter des Grafen von Flandern erweiterte Philipp nach dessen Tod  sein Gebiet  zu einem größeren Länderkomplex .   Philipp und auch  verstärkt sein Sohn standen in einer gewissen Konkurrenz  zu Frankreich .

Das Burgundische Reich war jedoch nicht von langer Dauer. Bereits der Nachfolger Karl der Kühne oder Tollkühne überspannte den Bogen gewaltig, sodass sein Reich zerschlagen und zum Teil als Lehen an die französische Krone zurückfiel. In dieser Krisensituation sah Maria von Burgund nur noch Hoffnung in Maximilian von Habsburg.

Über den Zeitraum der spanischen und habsburgischen Niederlande geht der Autor zur Zeit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert über und stellt Belgien als erste Industrienation Kontinentaleuropas dar. Das Buch spart neben der  Geschichte der belgischen Staatsgründung , der Geschichte des belgischen Königshauses , die düstere Kolonialgeschichte  unter Leopold II.  nicht aus.

Die Zeit der zweimaligen deutschen Besatzung und die Zwischenkriegszeit wird ausgewogen dargestellt. Den Abschluß bildet das Kapitel „Die gespaltene Nation – Belgien seit 1945 . u.a. der Aufstieg  Brüssels  zum Mittelpunkt der Europäischen Union.

Neben zahlreichen Illustrationen , Karten und Porträts  ist besonders auch der Anhang hervorzuheben, in diesem findet der Leser neben einer Zeittafel , ein kommentiertes Literatur – und Quellenverzeichnis , sowie ein Orts, Personen und Stichwort-Register .

Das hervorragend geschriebene Buch schließt kompetent eine Lücke in der bereits vorhandenen Literatur  über Belgien in deutscher Sprache  .