Buchtipps

Andreas Rödder, Der verlorene Frieden

Mit dem Fall der Mauer 1989 waren die Hoffnungen auf eine Zeitenwende groß, die demokratischen Werte würden sich weltweit durchsetzen. Während das Machtsystem des Ostblocks zerbrach, sich die meisten ehemaligen Mitgliedsstaaten nach Westen orientierten und somit der Westen expandierte, entstand für die Ukraine und Georgien ein Machtvakuum. Auch ist es nicht gelungen Rußland in die veränderte Lage mit einzubeziehen. Die Hoffnungen, dass die Mächte im Osten sich der neuen Entwicklung nicht entziehen können, hat sich nicht eingestellt. Ganz im Gegenteil, die revanchistischen Staaten Rußland und China empfanden die zu Gunsten des Westens gelaufene Entwicklung als Demütigung. Das extremste Beispiel ist das Scheitern des Demokratieexports nach Afghanistan. Der Westen muss im Innern wachsam gegen Putinpropaganda und Desinformation sein und nach außen die Grenzen verteidigen. Seit Trump sind die Karten neu gemischt, der weitere Verlauf ist noch nicht klar erkennbar. Die Wirtschaft des Westens befindet sich in einer globalen Abwartesituation. Das Buch von Andreas Rödder überzeugt mit seinen Faktenanalysen und seinem nüchternen Blick auf die globalen Herausforderungen unserer Zeit. C.Beck Verlag 2024/ 240 Seiten

 

Johannes Willms, Louis XIV

C.H.Beck Verlag 2023 / 532 Seiten

Der Historiker Johannes Willms hat zahlreiche Werke zur Geschichte Frankreichs vorgelegt. Louis XIV ist die historisch erste von drei überlebensgroßen Herrschergestalten Frankreichs.
Der Autor lässt uns verstehen, wie es nach der Glaubensspaltung im 16.Jahrhundert, dem daraus entstehenden Bürgerkrieg, sowie der Revolte des Hochadels ( „Fraude“) mit dem Ziel die Zentralmacht der Krone zu beschneiden, zum Absolutismus kam. Dieses  Herrschaftsmonopol, in dem Militär, Verwaltung, Gesetzgebung, Staatskirche, Wirtschaftsordnung sowie höfische Kultur,  zentral vom Monarchen geleitet wurde, war so erfolgreich, dass Frankreich zur führenden Macht Frankreichs aufstieg.
Louis XIV, 1638-1715 wurde bereits mit 5 Jahren, nach dem Tod seines Vaters, König , zunächst unter der Regentschaft seiner Mutter Anna von Österreich . Seine Selbstherrschaft begann 1661. Von seinen 77 Lebens-jahren führte er mehr als 42 Jahre Krieg. Von seinen Regierungsjahren ist es fast die gesamte Zeit, was Unsummen an Staatsgeldern verschlang. Fast die gleichen Beträge wurden für Repräsentationskosten und Hofhaltung veranschlagt. Mit dem Bau von Versailles wurde bereits bei Regierungsantritt 1661 begonnen.
Mit seinem letzten Buch hat er ein faszinierendes , wie schonungsloses Porträt des Sonnenkönigs und seiner Zeit geschaffen.

 

Jens Bisky, Die Entscheidung- Deutschland 1929 bis 1934

Der Autor zeigt wie vielschichtig die Ausgangssituation, 10 Jahre nach Versailles, in Deutschland 1929 war. Das neue Buch  von Jens Bsky beschreibt die letzten Jahre der Weimarer Republik in der Zeit zwischen dem Tod Stresemanns 1929 und Hindenburgs 1934. Die Periode war geprägt durch Orientierungslosigkeit, Not und Verbitterung. Die Folge war der Aufstieg radikaler Kräfte verbunden mit der Auflösung des bürgerlich liberalen Milieus, der Aufruhr der Mittelschichten sowie der radikalen Ränder. Der Autor zeigt in seiner überzeugenden Darstellung die Situationen auf, wo teils durch unzutreffende Einschätzung, teils durch Zwang die Weichen falsch gestellt wurden. Flüssig geschrieben wird ein großes Panorama einer extremen Zeit geboten, die noch immer ihre Schatten auf die Gegenwart wirft.

Rowohlt Berlin 2024 / 690 Seiten

 

Christoph Driessen: Griff nach den Sternen

Hätten Sie gedacht, dass Helmut Schmidt die britische Labour-Partei mit einer brillanten Rede zu Europa
bekehrte? Oder dass der französische Präsident François Mitterrand die Schaffung des Euro als Entschärfung der deutschen Atombombe betrachtete? Schauen Sie hinter die Türen der Brüsseler Konferenzsäle und lauschen Sie lange geheim gehaltenen Gesprächen im Élysée-Palast! Folgen Sie Winston Churchill, der kurz nach dem Krieg die Vereinigten Staaten von Europa anstrebte, Charles de Gaulle, der Frankreichs Großmachtstellung durch Europa wiederherstellen wollte,und Angela Merkel, der „Königin Europas“!Christoph Driessen erzählt die Geschichte der EU, wie sie noch nie erzählt worden ist: zum Lachen und zum Weinen, zum Verzweifeln, zum Staunen und zum Mitfiebern.

Pustet Verlag 2024 / 288 Seiten /

 

Jürgen Serke : Die verbrannten Dichter

Die erweiterte und neubebilderte Neuausgabe von Jürgen Serkes epochalem Buch »Die verbrannten Dichter« ist 1923 zum 90. Jahrestag der Bücherverbrennung von 1933 neu bebildert und durchgängig farbig gedruckt , erschienen . Serke zeichnete die Lebensgeschichten jener exilierten Schriftsteller und Schriftstellerinnen nach, deren Werke von den Nationalsozialisten verbrannt wurden. Die Portraitserie erschien zunächst im STERN und holte vergessene Autoren wie Irmgard Keun, Walter Mehring, Armin T. Wegener, Ernst Toller und Yvan und Claire Goll in das öffentliche Bewusstsein zurück. Serkes Wiederentdeckungen hatten maßgeblichen Einfluss auf die Lektüreinteressen einer Generation von Leserinnen und Lesern in Deutschland. Das Buch führte zu einer Wiederentdeckung der Exilliteratur.

 

Herfried Münkler: Welt in Aufruhr

Im Wandel war die Welt immer. Erst 1988 erschienen die Umwälzungen, vorläufig an ein an ein Ende gekommen sein. Als sich die SU auflöste, folgte eine Zeit der Illusion man hoffte, die Welt würde sich nach westlichem Verständnis demokratisieren. Franicis Fukuyama war wie viele andere der Meinung, dass „Ende der Geschichte“ sei gekommen. Gemeint war das Ende der Ideologien und somit der großen Kriege.

Ein Irrtum, wie sich sehr bald herausstellte. Afghanistan ein Weckruf!

Spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist es unverkennbar, dass sich unsere auf Werte und Normen basierte Weltordnung auflöst. Doch wie sortieren sich die Mächte neu und welche Umbrüche stehen uns dadurch bevor?

In einer detaillierten geopolitischen Analyse beleuchtet der profilierte Politikwissenschaftler die tiefgreifenden und folgeschweren Veränderungen. Welche Rolle wird das ständig an Bedeutung gewinnende China spielen. Welche Bedeutung wird der Gegenpol USA und welche die EU, die immer noch ihre Rolle sucht, zukünftig spielen. Münkler zeigt wo künftig sich Konflikte auftun und wo sich Risiken, aber auch Chancen auftun werden. Bei diesen profunden Maßstäben setzenden Buch handelt es sich um einen Ausblick auf die Machtkonstellation des 21. Jahrhunderts.

I

 

Daniel Kehlmann: Lichtspiel

Rowohlt Verlag
Hardcover 480 Seiten

Einer der Größten des Kinos, vielleicht der größte Regisseur seiner Epoche: Zur Machtergreifung dreht G.W. Pabst in Frankreich; vor den Gräueln des neuen Deutschlands flieht er nach Hollywood. Aber unter der blendenden Sonne Kaliforniens sieht der weltberühmte Regisseur mit einem Mal aus wie ein Zwerg. Nicht einmal Greta Garbo, die er unsterblich gemacht hat, kann ihm helfen. Und so findet Pabst sich, fast wie ohne eigenes Zutun, in seiner Heimat Österreich wieder, die nun Ostmark heißt. Die barbarische Natur des Regimes spürt die heimgekehrte Familie mit aller Deutlichkeit. Doch der Propagandaminister in Berlin will das Filmgenie haben, er kennt keinen Widerspruch, und er verspricht viel. Während Pabst noch glaubt, dass er dem Werben widerstehen, dass er sich keiner Diktatur als der der Kunst fügen wird, ist er schon den ersten Schritt in die rettungslose Verstrickung gegangen. Daniel Kehlmanns Roman über Kunst und Macht, Schönheit und Barbarei zeigt, was Literatur vermag: durch Erfindung die Wahrheit hervortreten zu lassen.

 

Der belgische Konsul von Amélie Nothomb

Diogenes Verlag
Fester Einband
144 Seiten

Sein erster Posten führt Patrick Nothomb in den jüngst unabhängig gewordenen Kongo. In Stanleyville soll er als Generalkonsul Belgien vertreten. Aber das Jahr 1964 hält anderes bereit, und so muss er, der kein Blut sehen kann, um das Leben Hunderter Geiseln verhandeln. Doch wer ist dieser junge Mann? Amélie Nothomb zeichnet das Bild seiner Kindheit zwischen belgischer Hautevolee und wilden Ardennen. Ein intimes Familienporträt, aber auch die Geschichte einer Welt im Wandel.

 

22 Bahnen von Caroline Wahl

Dumont Verlag Hardcover 208 Seiten

Tildas Tage sind strikt durchgetaktet: studieren, an der Supermarktkasse sitzen, sich um ihre kleine Schwester Ida kümmern – und an schlechten Tagen auch um die Mutter. Zu dritt wohnen sie im traurigsten Haus der Fröhlichstraße in einer Kleinstadt, die Tilda hasst. Ihre Freunde sind längst weg, leben in Amsterdam oder Berlin, nur Tilda ist geblieben. Denn irgendjemand muss für Ida da sein, Geld verdienen, die Verantwortung tragen. Nennenswerte Väter gibt es keine, die Mutter ist alkoholabhängig. Eines Tages aber geraten die Dinge in Bewegung: Tilda bekommt eine Promotion in Berlin in Aussicht gestellt, und es blitzt eine Zukunft auf, die Freiheit verspricht. Und Viktor taucht auf, der große Bruder von Ivan, mit dem Tilda früher befreundet war. Viktor, der – genau wie sie – immer 22 Bahnen schwimmt. Doch als Tilda schon beinahe glaubt, es könnte alles gut werden, gerät die Situation zu Hause vollends außer Kontrolle.

Eine sehr gute Erzählung und auch Liebesgeschichte, die trotz des schweren und wichtigen Themas eine Leichtigkeit besitzt. Ich habe es an einem Tag verschlungen. Herzerwärmend, modern und optimistisch.

 

Ein Geist in der Kehle von Doireann Ní Ghríofa

btb Verlag Hardcover 384 Seiten

DIES IST EIN WEIBLICHER TEXT

Zwei Schrifstellerinnen, Jahrhunderte voneinander getrennt und doch verbunden: 

Im 18. Jahrhundert trinkt eine irische Adelige, als sie erfährt, dass ihr Mann ermordet wurde, eine Handvoll seines Blutes und verfasst ein außergewöhnliches Gedicht, das zum nationalen Mythos werden wird. In der Gegenwart entgeht eine junge Mutter nur knapp einer Tragödie und stößt auf ein Gedicht, das sie bereits als Schulkind gelesen hat. Besessen von den Parallelen zu ihrem eigenen Leben macht sie sich auf die Suche nach dem verschwiegenen Rest des Geschehens.Eine große Geschichte über eine Frau, die ihre Stimme befreit, indem sie in die Vergangenheit vordringt und die einer anderen findet.

In Irland ist Doireann Ní Ghríofa bekannt als Dichterin. Dies ist ihr erster Roman, der so poetisch und sprachgewaltig ist, dass es mich in Erstaunen versetzt hat. Noch nie habe ich Ähnliches gelesen und bin regelrecht in den Bann dieser beiden Frauenwelten gezogen worden. Eine absolute bezaubernde Neuentdeckung. Die beiden Übersetzer Cornelius Reiber und Jens Friebe haben eine Meisterleistung vollbracht.